Der Wesenstest
(von Bernd Unger, öbb SV
Hundewesen)
Die bayerische
Kampfhundeverordnung (BayKampfhundeVO) geht bei bestimmten Hunderassen
von einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit aus.
Die Verordnung ist in die Kategorie 1
(unwiderlegbare gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit: Pitbull,
American Staffordshire Terrier, Bandog, Tosa Inu, Stafford Bullterrier)
und in die Kategorie 2 (durch einen Wesenstest widerlegbare gesteigerte
Aggressivität und Gefährlichkeit: Alano, American Bulldog, Standard
Bullterrier, Bordeaux Dogge, Bullmastiff, Dogo Argentino, Cane Corso,
Fila Brasileiro, Mastiff, Mastin Espaniol, Mastino Napoletano, Perro de
Presa Canario (Dogo Canario),
Perro des Preso Mallorquin,
Rottweiler) unterteilt.
Auch Kreuzungen der in der BayKampfhundeVO
genannten Hunderassen untereinander oder mit anderen nicht in der
Verordnung genannten Rassen gelten als gesteigert aggressiv und
gefährlich, können diese, sofern sie der Kategorie 2 zugehörig sind,
durch einen Wesenstest widerlegen.
Bei den immer wieder neu hinzukommenden
Kreuzungen, wie beispielsweise der American Bully, der Alaunt Bull, der
Exotic Bully, der Alba Bull, die Antik Dogge, usw., deren Aussehen sehr
unterschiedlich ausfällt, zielt die Benennung dieser „Moderassen“ meist
darauf ab, die Vorschriften zu den in der BayKampfhundeVO bestimmten
Hunderassen zu umgehen. Bei diesen Hunden handelt es sich häufig um
Kreuzungsprodukte aus Rassen, die in den beiden Kategorien der
Verordnung geführt werden und nicht vom VDH oder der FCI anerkannt sind.
Die Tatsache, dass die Rassen selbst nicht in der Verordnung genannt
sind, ist nicht ausreichend, um die Zugehörigkeit dieser Hunde zu einer
der beiden Kategorien zu widerlegen. Inwieweit diese Rassen unter die
BayKampfhundeVO fallen, ist zunächst durch ein Rassegutachten zu klären.
Sofern diese Rassen unter die Kategorie 2 der Verordnung fallen, muss
die unterstellte gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit durch
einen Wesenstest widerlegt werden.
Wesenstests, die erst ab einem Alter von ca. 18 Monaten durchgeführt und
von zugelassenen Sachverständigen abgenommen werden, müssen klären,
inwieweit die in Kategorie 2 der BayKampfhundeVO unterstellte
gesteigerte Aggressiviät und Gefährlichkeit widerlegt werden kann.
Sofern ein Hund nicht zur Kategorie 1 der
BayKampfhundeVO zählt, kann auch die Vorlage eines von einer deutschen
Rettungshundeorganisation (z. B. Rotes Kreuz, Technisches Hilfswerk,
Arbeiter-Samariter-Bund, Malteser Hilfsdienst, Johanniter-UnfaII-Hilfe,
Bundesverband für Rettungshunde) ausgestellten Ausbildungsnachweisheftes
für Rettungshunde oder einer Rettungshundeplakette die
Kampfhundeeigenschaft widerlegen. Aus Altersgründen aus dem
Rettungsdienst ausgeschiedene Hunde stehen den aktiven gleich.
Entsprechendes gilt für geprüfte Blindenführhunde. Eine bestandene
Begleithundeprüfung ist als bloße Sportprüfung nicht mit einem
Wesenstest vergleichbar.
Für den
Fall, dass ein Hund die unterstellte gesteigerte Aggressivität und
Gefährlichkeit über den Wesenstest nicht widerlegen kann, fällt dieser
automatisch unter die Kategorie 1 und bedarf zur weiteren Haltung einer
besonderen Erlaubnis der Behörde.
Über den durchgeführten Wesenstest erstellt
der Sachverständige ein Gutachten, das mindestens folgende Aussagen
enthalten muss:
a) Formelle
Aspekte
Ø
Datum der
Erstellung des Gutachtens,
Ø
Datum, Dauer
und Ort(e) der Untersuchung,
Ø
Name und
Anschrift des Halters sowie Bezeichnung der Personen, die vom Halter mit
der Betreuung des Hundes beauftragt sind,
Ø
Beschreibung
des Hundes (Rasse, Geburtsdatum, Geschlecht, ggf. Abstammung, Name,
Farbe, Abzeichen), Identitätssicherung (Tätowierung/Chip),
Ø
Ort(e), an
dem/denen der Hund überwiegend gehalten wird (Halteranwesen),
Ø
Ergebnis der
Überprüfung: „Das Tier wird als ein/kein Hund mit gesteigerter
Aggressivität und Gefährlichkeit beurteilt."
b) Inhaltliche
Aspekte (Regelfall)
Ø
Ereignisse, die
die Verhaltensentwicklung des Hundes seit Eintritt der Geschlechtsreife
beeinflusst haben (u. a. Ausbildungsstand, abgelegte Prüfungen,
Auffälligkeiten, Sicherheitsstörungen),
Ø
Verwendungszweck des Hundes,
Ø
Beschaffenheit
des Halteranwesens (Einzäunung, freie oder Zwingerhaltung) und sonstige
für die Entwicklung der Wesensart relevante Haltungsumstände,
Ø
Verhalten des
Hundes gegenüber fremden Personen im Halteranwesen,
Ø
Verhalten des
Hundes gegenüber fremden Personen außerhalb des Halteranwesens (z. B.
Kinder, Radfahrer und Jogger) und im Straßenverkehr angeleint (und/oder
freilaufend) in bekannter und unbekannter Umgebung,
Ø
Reaktion des
Hundes auf Kommandos angeleint und/oder freilaufend,
Ø
Leinenführigkeit,
Ø
Verhalten des
Hundes gegenüber anderen Hunden und Tieren angeleint (und/oder
freilaufend),
Ø
Verhalten des
Hundes bei ihm unbekannten optischen und akustischen Reizen,
Ø
Verhalten des
Hundes gegenüber dem Halter und den sonstigen Betreuungspersonen in
verschiedenen Situationen,
Ø
Empfehlungen
für das weitere Halten und Führen des Hundes; diese stellen für die
Behörden eine wertvolle Hilfe dar bei ihrer Entscheidung, ob und ggf.
welche Einzelanordnungen im konkreten Fall auszusprechen sind (etwa
Haltung in einem ausbruchsicheren Grundstück bzw. Zwinger; Leinenzwang
in bewohnten Bereichen, kein unbeaufsichtigter Aufenthalt im
Halteranwesen etc.).
Der Hundehalter übergibt das
Sachverständigengutachten seiner Gemeinde. Diese muss beurteilen, ob die
mit dem Wesenstest beabsichtige Widerlegung der vermuteten gesteigerten
Aggressivität und Gefährlichkeit gelungen ist. Ist sie nach Vorlage des
Gutachtens in begründbarer Weise nicht davon überzeugt, geht dies
zulasten des Hundehalters. Bei der Prüfung eines Gutachtens beteiligt
die Gemeinde stets das Veterinäramt.
Hält die
Gemeinde den Nachweis für erbracht, stellt sie auf Antrag hierüber eine
Bescheinigung (Negativzeugnis) aus.
Bei Welpen und jungen Hunden (unter 18
Monaten) können gesicherte Aussagen hinsichtlich des Vorliegens einer
gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit in der Regel erst ab einem
Alter von ca. 18 Monaten getroffen werden. Für diese Hunde stellt die
Gemeinde zunächst ein befristetes Negativzeugnis aus.
Zusammenfassend kann davon ausgegangen
werden, dass der Wesenstest einen Hund bei fachgerechter Sozialisierung,
kompetenter Ausbildung und artgerechter Haltung, vor keine größeren
Probleme stellen wird.
Quellen: BayKampfhundeVO v. 10.07.92,
Vollzugbekanntmachung IC-2116.4-163 v. 04.12.14, IMS C2-2116-6-12 v.
29.10.18.
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